Verfassungsschutzbericht 2019
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Verfassungsschutzbericht 2019 - Extremismus in Deutschland

Seit dem "treiben der AfD" in Deutschland haben die Extremismuszahlen in Deutschland sehr stark zugenommen. Aber nicht nur durch die eigene JA (Junge Alternative) buw. durch die Beobachtung des Flügels, sondern auch weil dadurch insbesondere der größenteil unorganisierte Linksextremismus "aufgeheizt" wird.

Die aktuellen Zahlen sind beängstigend:

Die wichtigsten textlichen Auszüge aus dem Verfassungsschutzbericht 2019:

Politisch motivierte Kriminalität (PMK)

Das Bundeskriminalamt (BKA) registrierte für das Jahr 2019 41.177 poli-tisch motivierte Straftaten, was gegenüber dem Vorjahr einen Anstiegum 14,2 % bedeutet (2018: 36.062). In dieser Zahl sind 16.182 Propaganda-delikte (39,3 %) enthalten (2018: 14.088 = 39,1 %). Der Anteil der Gewaltta-ten an der Gesamtzahl der politisch motivierten Straftaten sank von3.366 Delikten im Jahr 2018 auf 2.832 Straftaten im Jahr 2019. Bei 31.472 Straftaten (76,4 %) lag ein extremistischer Hintergrund vor(2018: 27.656 = 76,7 %). Davon konnten 2.017 (2018: 1.244) keinem be-stimmten Phänomenbereich zugeordnet werden. Folgende Aspekte sind hervorzuheben:∙ Die Anzahl rechtsextremistischer Straftaten insgesamt ist um 9,7% gestiegen. Die Zahl der Gewalttaten ging um knapp 15 % zu-rück. Die Tötungsdelikte (5 versuchte und 2 vollendete) in diesemBereich wurden allesamt mit einer fremdenfeindlichen Motiva-tion begangen. Hierzu zählten die Ermordung des Regierungs-präsidenten von Kassel (Hessen) und der Anschlag auf eine Syna-goge in Halle (Sachsen-Anhalt). ∙ Im Berichtsjahr 2019 stieg die Zahl der linksextremistisch moti-vierten Straftaten um 39,5 %, die der Gewalttaten sank um 8,8 %.Besonders deutlich sind die Gewalttaten „gegen den Staat, seineEinrichtungen und Symbole“ und diejenigen im Themenfeld„Kampagne gegen Umstrukturierung“ angestiegen.∙ Dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – aus-ländische Ideologie“ wurden 1.354 Straftaten zugeordnet, was ei-nen Rückgang von knapp 30 % bedeutet.Im Einzelnen:Im Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – rechts“ wur-den 21.290 Straftaten (2018: 19.409) mit extremistischem Hintergrunderfasst. Die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Gewalttaten ist imVergleich zum vorherigen Berichtsjahr um knapp 15 % zurückgegangen(2019: 925, 2018: 1.088). Den 6 versuchten Tötungsdelikten im Jahr 2018stehen 5 versuchte und 2 vollendete Tötungsdelikte im Jahr 2019 gegenüber. Wie im vorherigen Berichtsjahr hatten alle Tötungsdelikte einefremdenfeindliche Motivation. Die Zahl der fremdenfeindlichen Ge-walttaten sank um 15,3 % auf 695 Delikte (2018: 821). Rechtsextremis-tisch motivierte Straftaten gegen Asylunterkünfte gingen im Jahr 2019erneut zurück (2019: 116, 2018: 164). Gewalttaten von Rechtsextremis-ten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten san-ken um 17,7 % auf 93 (2018: 113). „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ wurden im Berichtsjahr 589 ex-tremistische Straftaten zugeordnet (2018: 776). Unter ihnen waren insge-samt 121 Gewalttaten (2018: 160). Hierzu zählten vor allem Erpressungsde-likte (81) und Widerstandsdelikte (30). Bei den weiteren Straftatbeständendominieren insbesondere Nötigungen und Bedrohungen (156). Dem Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – links“ wur-den 6.449 Straftaten mit extremistischem Hintergrund zugeordnet(2018: 4.622); hiervon waren 921 Gewalttaten (2018: 1.010). Somit sind dielinksextremistischen Straftaten um 39,5 % gestiegen und die Gewaltta-ten um 8,8 % gesunken. Besonders deutlich sind die Gewalttaten „gegenden Staat, seine Einrichtungen und Symbole“ (um 85,1 % auf 385 Delikte)gestiegen. Die Gewalttaten im Themenfeld „Kampagne gegen Umstruk-turierung“ haben sich mehr als verdreifacht auf 174 Delikte. Im Jahr 2019 sind die extremistischen Straftaten im Phänomenbereich„Politisch motivierte Kriminalität – religiöse Ideologie“ auf 362 Deliktezurückgegangen (2018: 453). Darunter befinden sich insgesamt 41 Gewalt-taten, zu denen 1 versuchtes Tötungsdelikt und 32 Körperverletzungengerechnet werden. 63 Straftaten wurden als Vorbereitung einer schwerenstaatsgefährdenden Gewalttat (§ 89a-c, § 91 StGB) eingestuft (2018: 63)und 64 Fälle (2018: 144) als Mitgliedschaft in beziehungsweise Unterstüt-zung einer ausländischen terroristischen Vereinigung (§ 129b StGB).Einen extremistischen Hintergrund hatten 1.354 Straftaten (2018: 1.928)im Phänomenbereich „Politisch motivierte Kriminalität – ausländischeIdeologie“. Unter diesen Delikten waren hauptsächlich Verstöße gegendas Vereinsgesetz (45,2 %), Sachbeschädigungen (12,1 %), aber auch 248Gewalttaten (18,3 %). Im Vergleich zu 2018 (355 Gewalttaten) hat sich dieZahl der Gewalttaten zwar verringert, ihr Anteil an den extremistischenStraftaten insgesamt ist aber annähernd gleich geblieben (2018: 18,4 %).Ihr überwiegender Teil sind Körperverletzungen (58,1 %) und Widstandsdelikte (31,9 %). Im Berichtsjahr befand sich unter den Gewalttatenkein Tötungsdelikt, während im Jahr 2018 noch 1 vollendetes und 4 ver-suchte Tötungsdelikte gezählt worden waren.

Rechtsextremismus/rechtsextremistischer Terrorismus

Das rechtsextremistische Personenpotenzial umfasste Ende 2019 nachAbzug von Mehrfachmitgliedschaften 32.080 Personen (2018: 24.100).Die Zahl der Rechtsextremisten, die als gewaltorientiert eingestuft wer-den, ist auf 13.000 Personen (2018: 12.700) angestiegen. Die rechtsextremistischen Straf- und Gewalttatenentwickelten sich imJahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr wie folgt: Die Gesamtzahl der Straf-taten stieg um 9,7 % auf 21.290 Delikte an (2018: 19.409). Die Gewalttatengingen im Berichtsjahr um 15 % zurück (2019: 925; 2018: 1.088). Körperverletzungsdelikte, die mit über 84 % die überwiegende Zahl der Gewalt-delikte bildeten, gingen um 16,7 % zurück. Nachdem noch im Jahr 2018die Anzahl der rechtsextremistisch motivierten Körperverletzungsdelik-te mit fremdenfeindlichem Hintergrund angestiegen war, wurde hier imJahr 2019 ein Rückgang von 18,6 % verzeichnet (2019: 627; 2018: 770).Auch die Gesamtzahl der fremdenfeindlichen Gewalttaten ging um ins-gesamt 15,3 % zurück (2019: 695; 2018: 821). Rechtsextremistisch moti-vierte Brandstiftungsdelikte wurden nur noch in geringer Anzahl festge-stellt (2019: 6; 2018: 11). Im Jahr 2019 wurden sieben rechtsextremistisch motivierte Tötungsde-likte gezählt, von denen zwei vollendet wurden. Hierbei handelt es sichum die Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten in Wolfhagen(Hessen) und den versuchten Anschlag auf die Synagoge in Halle (Sach-sen-Anhalt) mit zwei Todesopfern. Beide Taten verdeutlichen, dass auchbei einem zahlenmäßigen Rückgang rechtsextremistischer GewalttatenGefährdungsmomente im Rechtsextremismus bestehen, die nicht mehrnur innerhalb etablierter rechtsextremistischer Strukturen und Organi-sationen zu finden sind, sondern die sich am Rande oder sogar außerhalbder rechtsextremistischen Szene entwickeln können.In den meisten Spektren des Rechtsextremismus ist der Antisemitismusein wichtiges Ideologieelement. Im rechtsextremistischen Parteienbe-reich ist Antisemitismus tief verwurzelt. Die Partei „DIE RECHTE“ nomi-nierte die mehrfach verurteilte Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck-Wetzel als Spitzenkandidatin für die Europawahl 2019. Die Partei „DerIII. Weg“ spricht vom „zionistischen Geschwür im Nahen Osten“. Aberauch Äußerungen von einzelnen beziehungsweise organisationsunab-hängig handelnden Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrummachen einen immer stärkeren Anteil der registrierten antisemitischenStraftaten aus. Dabei wird gerade das Internet als Propaganda- und Kom-munikationsinstrument von Rechtsextremisten genutzt, um antisemiti-sche Ideologie zu verbreiten. Dass Antisemitismus sogar zum Motiv für Tötungsdelikte werden kann,zeigt der Schusswaffenanschlag eines 27-Jährigen auf eine Synagoge inHalle am 9. Oktober 2019, in dessen Zusammenhang zwei Menschen ge-tötet und sieben weitere zum Teil schwer verletzt wurden. Bereits aus dem im Internet verbreiteten Schriftstück des mutmaßlichen Täters wirdein aggressiver Antisemitismus deutlich.Das rechtsextremistische Demonstrationsgeschehenwies noch im Jahr2018 im Zusammenhang mit der Tötung eines Deutschen durch Asylbe-werber in Chemnitz eine wachsende Tendenz auf – einer leicht gestiege-nen Anzahl an Demonstrationen stand ein massiver Anstieg der Teilneh-merzahlen gegenüber. Im Berichtsjahr spiegelte sich die Bedeutung derrechtsextremistischen Anti-Asyl-Agitation nicht im Demonstrationsge-schehen wider. Die Anzahl rechtsextremistischer Kundgebungen bun-desweitreduzierte sich mit 186 im Vergleich zum Jahr 2018 (233) umrund 20 % und lag damit zugleich deutlich unter der im Jahr 2017 (202).Die Teilnehmerzahl ging sogar um mehr als die Hälfte auf circa 20.650 zu-rück (2018: ca. 58.000), liegt damit allerdings über dem Niveau des Jahres2017 (ca. 16.400).Das Interesse von Rechtsextremisten an Kampfsportist unveränderthoch. Es ist zu beobachten, dass sich Rechtsextremisten zunehmendKampfsporttechniken aneignen beziehungsweise untereinander vermit-teln. Kampfsportevents werden immer häufiger professionell veranstal-tet und führen durch die Teilnahme ausländischer Kämpfer zu einer eu-ropaweiten Vernetzung der rechtsextremistischen Kampfsportszene. Die in den vergangenen Jahren zunehmend erstarkte rechtsextremisti-sche Kampfsportszene in Deutschland stand im Jahr 2019 im Fokus be-hördlicher Maßnahmen: So wurde beispielsweise das rechtsextremisti-sche Kampfsportturnier „Kampf der Nibelungen“, das gerade in den letz-ten Jahren stetig steigende Besucherzahlen aufweisen konnte (2018: 850)und für den 12. Oktober 2019 in Ostritz (Sachsen) angemeldet wordenwar, von den zuständigen Polizei- und Ordnungsbehörden verboten.Musik und Musikveranstaltungenbleiben weiterhin für die rechtsextre-mistische Szene wichtig. Bei der Verbreitung von rechtsextremistischemGedankengut, dem Einstieg in die Szene oder auch beim Ausbau der in-ternationalen Vernetzung mit anderen Rechtsextremisten spielt sie einenach wie vor bedeutende Rolle. Im Berichtsjahr fanden erneut diverseMusikgroßveranstaltungen mit mehr als 500 Teilnehmern statt, die imVergleich zu den meisten anderen rechtsextremistischen Veranstaltun-gen wie zum Beispiel rechtsextremistischen Kundgebungen, Mahnwachen, Fackelmärschen und internen Szenetreffen höhere Besucherzah-len aufwiesen. Die „Tage der nationalen Bewegung“ am 5. und 6. Juli 2019 in Themar(Thüringen), an denen bis zu 920 Rechtsextremisten teilnahmen, warendie teilnehmerstärkste Veranstaltung. In Ostritz (Sachsen) fanden auf ei-nem bereits mehrfach für rechtsextremistische Veranstaltungen genutz-ten Gelände im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Schild & Schwert“ zweigrößere Musik- und Rednerveranstaltungen statt, die aber geringere Be-sucherzahlen aufwiesen als Veranstaltungen dieser Reihe im Jahr 2018. Im Berichtsjahr setzten deutsche Rechtsextremisten ihre Kooperatio-nen mit ausländischen Rechtsextremistenunvermindert fort. Hin-sichtlich der internationalen Vernetzung spielt die Nutzung sozialerNetzwerke dabei eine herausragende Rolle. Neben den institutionalisier-ten Kontakten sind diese Auslandsbeziehungen vornehmlich von per-sönlichen Kennverhältnissen geprägt. Die jährlich stattfindenden zen-tralen „Gedenkveranstaltungen“ der internationalen rechtsextremisti-schen Szene – beispielsweise der „Tag der Ehre“ am 9. Februar 2019 inBudapest (Ungarn) oder der am 16. Februar 2019 abgehaltene „Lukov-Marsch“ in Sofia (Bulgarien) – bilden weiterhin einen Schwerpunkt fürdie internationale Vernetzung der rechtsextremistischen Szene. Sie errei-chen hohe und nach wie vor ansteigende Teilnehmerzahlen deutscherRechtsextremisten.Im Rahmen eines Treffens europäischer Rechtsextremisten am 20. und21. April 2019 in Sofia wurde das internationale Bündnis „FestungEuropa“ unter Beteiligung von Vertretern der Partei „DIE RECHTE“ ge-gründet.Vernetzungsbestrebungender rechtsextremistischen Szene sind er-kennbar in der Musikszene, in subkulturellen Mischszenen (z.B. Hooli-gans oder auch Rocker), in der Kooperation mit ausländischen Rechtsex-tremisten, aber auch bei sonstigen rechtsextremistischen Gruppierun-gen. Die frühzeitige Aufdeckung relevanter und gefährlicher rechtsextre-mistischer Vernetzung ist Kern- und Daueraufgabe derVerfassungsschutzbehörden, welcher mit hoher Priorität nachgegangenwird. Den Rechtsextremismus lange prägende und tragende Parteistrukturenzum Beispiel von der Partei „DIE RECHTE“, „Der III. Weg“ oder der „Na-tionaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) verlieren seit einigenJahren zumindest an öffentlicher und elektoraler Bedeutung. Gleich-wohl behalten rechtsextremistische Parteien eine gewisse Bedeutung fürdie Binnenstruktur der rechtsextremistischen Szene.Die NPDist weiterhin ein relevanter Faktor im rechtsextremistischenSpektrum. Jedoch weist die Partei auch 2019 – wie bereits seit einigenJahren – rückläufige Mitgliederzahlen und schwache Wahlergebnisseauf. Im Berichtsjahr reduzierte sich die Zahl der Mitglieder auf etwa3.600 (2018: 4.000). Im „Superwahljahr 2019“, das geprägt war von derWahl zum Europäischen Parlament und drei Landtagswahlen, verlor dieNPD das einzige EU-Parlamentsmandat, das der ehemalige Parteivorsit-zende Udo Voigt innehatte. Auch folgte aus den schwachen Wahlergeb-nissen der Verlust von finanziellen Mitteln aus der staatlichen Parteien-finanzierung. Die NPD verzeichnete bei der Europawahl mit einem Stimmenanteilvon 0,3 % (absolut: 101.011) gegenüber dem 2014 erreichten Ergebnisvon 1,0 % (absolut: 301.139) eine Einbuße von rund zwei Dritteln derStimmen. Bei der Landtagswahl in Brandenburg trat sie nicht an. Bei derparallel stattfindenden Wahl im einstigen Stammland Sachsen erlitt dieNPD eine deutliche Wahlniederlage mit einem Ergebnis von lediglich0,6 % der Zweitstimmen. Auch bei der Landtagswahl in Thüringen er-zielte die NPD mit 0,5 % der Stimmen ein für sie enttäuschendes Resul-tat. Somit konnte die Einprozenthürde, die zur Teilnahme an der staatli-chen Teilfinanzierung in Bezug auf Landtagswahlen berechtigt, nichtüberwunden werden.Ungeachtet dieser Wahlergebnisse gelang es der Partei im Jahr 2019, ei-ne grundsätzliche Handlungs- und Kampagnenfähigkeit sicherzustel-len. Durch die „Schutzzonen“-Kampagne versucht die Partei beispiels-weise, mit geringem personellen Aufwand mediale Aufmerksamkeit zugenerieren. Der stellvertretende Parteivorsitzende Heise hatte bereits 2018 zwei„Schild & Schwert“-Festivals in Ostritz (Sachsen) durchgeführt, die Aus-fluss einer modifizierten Parteistrategie mit einer aktionistischenSchwerpunktsetzung auf Veranstaltungen und Kampagnen waren. Dies wurde fortgesetzt mit einem Konzert im März 2019 und einem zweitägi-gen Festival im Juni 2019. Allerdings konnten beide durchgeführten Ver-anstaltungen nur bedingt an die 2018 erzielte Resonanz anknüpfen.Die rechtsextremistische Kleinpartei „DIE RECHTE“gliedert sich in achtLandesverbände mit circa 20 Kreisverbänden und wenigen Stützpunk-ten. Einige Verbände auf Kreis- oder Landesebene sind im Aufbau oderbestehen nur wenige Monate, werden inaktiv oder gründen sich neu, oh-ne sich vorher formell aufgelöst zu haben. Andere Verbände bestehennur nominell und entfalteten bislang keine Aktivitäten. Dies spiegelt sichin rückläufigen Mitgliederzahlen der Partei wider (2019: 550, 2018: 600).Der Schwerpunkt der Parteiaktivitäten liegt unverändert in Nordrhein-Westfalen. Am 5. Januar 2019 hielt „DIE RECHTE“ ihren 10. Bundesparteitag ab undwählte Sascha Krolzig und Sven Skoda zu neuen Bundesvorsitzenden. Bei der Europawahl im Mai 2019 trat die Partei mit einer Kandidatenlistean, die die inhaftierte Holocaustleugnerin Haverbeck-Wetzel als Spitzen-kandidatin anführte und sich ansonsten überwiegend aus Neonazis zu-sammensetzte, die wegen einschlägiger Delikte in der Vergangenheit be-reits Haftstrafen verbüßt hatten. Im Rahmen des Europawahlkampfesverwendete „DIE RECHTE“ ein inhaltlich an eine NS-Parole angelehntesPlakat mit der Aufschrift „ZIONISMUS STOPPEN: ISRAEL IST UNSERUNGLÜCK! SCHLUSS DAMIT!“. Die Partei erreichte mit einem Wahler-gebnis von 24.598 Stimmen beziehungsweise 0,1 % eine deutliche Nie-derlage und rangierte damit letztlich am Rande der Bedeutungslosigkeit. „DIE RECHTE“ organisierte zahlreiche Solidaritätsveranstaltungen fürHaverbeck-Wetzel, die als „politische Gefangene“, „Dissidentin“ und„Streiterin für Meinungsfreiheit“ heroisiert wurde. So führten der Lan-desverband Nordrhein-Westfalen und der Kreisverband Ostwestfalen-Lippe der Partei am 9. November 2019 in Bielefeld (Nordrhein-Westfalen)eine Solidaritätskundgebung mit circa 230 Teilnehmern unter dem Mot-to „FREIHEIT FÜR URSULA HAVERBECK!“ anlässlich ihres 91. Geburts-tags durch. Die uneingeschränkte Solidarisierung mit der inhaftiertenHolocaustleugnerin spiegelt einmal mehr den unverhohlenen Antisemi-tismus und die fundamental ablehnende Haltung der Partei gegenüberder Werteordnung des Grundgesetzes wider. Der rechtsextremistischen Kleinpartei „Der III. Weg“gelang es 2019, ihreStrukturen – wenn auch nur geringfügig – auszubauen. Sie verfügt nunüber 20 regionale „Stützpunkte“ (2018: 18) und hat circa 580 Mitglieder(2018: 530). Über die 2016 gegründeten drei Gebietsverbände Mitte, Südund West ist die Partei bisher jedoch nicht hinausgekommen. Für die Parteiführung bildeten Wahlkampfveranstaltungen im Vorfeldder Europa- und Kommunalwahlen am 26. Mai 2019 einen Tätigkeits-schwerpunkt, auch wenn „Der III. Weg“ bei der Europawahl mit einemWahlergebnis von 0,0 % (absolut: 12.756 Stimmen) unterhalb jeder Rele-vanz blieb. Die regionalen „Stützpunkte“ der Partei führten 2019 regelmäßig „Natio-nale Streifen“ durch. Mit ihnen will „Der III. Weg“ suggerieren, dass er derBevölkerung das „verloren gegangene Sicherheitsgefühl“ zurückgebeund sie durch Präsenz vor vermeintlich kriminellen Ausländern schüt-zen wolle. Mit den „Nationalen Streifen“ will „Der III. Weg“ sich als „Küm-merer-Partei“ und vermeintliche Brücke zur Mitte der Gesellschaft in-szenieren. Hiermit rekurriert „Der III. Weg“ zudem thematisch auf dieAnti-Asyl-Agitation der vergangenen Jahre mit dem Ziel, Aufmerksam-keit in der Öffentlichkeit zu erregen.Auch im Berichtsjahr bildeten Aktionen wie die „Deutsche Winterhilfe“oder die „Volksküche“, also die Sammlung von Kleidung oder Bereitstel-lung von Lebensmitteln für Bedürftige mit ausschließlich ethnisch deut-scher Herkunft, einen weiteren Themenschwerpunkt. Das BfV hat nach intensiver Prüfung im Januar 2019 den Personenzu-sammenschluss „Der Flügel“sowie die „Junge Alternative für Deutsch-land“ (JA)zu Beobachtungsobjekten (Verdachtsfällen) erhoben. Beide ge-hören zur Alternative für Deutschland (AfD), die selbst kein Beobach-tungsobjekt des BfV ist. „Der Flügel“sieht sich selbst als Sammlungsbewegung und Interessen-gemeinschaft von Personen innerhalb der AfD mit dem erklärten Ziel,sich mittels der AfD für eine „grundsätzliche politische Wende inDeutschland“ und – in einem fundamentaloppositionellen Sinne – füreine „echte Alternative zu den bestehenden Parteien“ einzusetzen. Ver-schiedene Aussagen von AfD- und „Flügel“-Funktionären lassen denSchluss zu, dass dem „Flügel“ bundesweit mindestens 20 % der AfD-Mitglieder zuzurechnen sind. Deshalb ist als untere Grenze von einem Perso-nenpotenzial von circa 7.000 Anhängern auszugehen.Das durch den „Flügel“ propagierte Politikkonzept ist auf Ausgrenzung,Verächtlichmachung   und   letztlich   weitgehende   Rechtlosstellung   vonMigranten, Muslimen und politisch Andersdenkenden gerichtet. Es stehtim Widerspruch zur Menschenwürdegarantie sowie zum Demokratie-und Rechtsstaatsprinzip. Dreh- und Angelpunkt im politischen Denkendes   „Flügels“   bildet   ein   ethnisch-homogenes   Staatsvolkverständnis.Nach Auffassung von „Flügel“-Funktionären ist das Überleben des – bio-logistisch   definierten – Volkes   durch   die   gegenwärtige   Regierung   be-droht. Wie ein roter Faden durchzieht deren Reden deshalb die Warnungvor einer vermeintlich bevorstehenden „Abschaffung“ und „Auflösung“Deutschlands. Die Haltung des „Flügels“ zum „Dritten Reich“ ist von einem geschichts-revisionistischen, die nationalsozialistischen Gewaltverbrechen relati-vierenden beziehungsweise ausblendenden Ansatz geprägt. Ziel dabeiist es, mittels einer „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ einunbelastetes   und   vermeintlich   identitätsstiftendes   Geschichtsbild   zuvermitteln.Die im Jahr 2013 gegründete JAist die offizielle Jugendorganisation derAfD und hatte im Jahr 2019 nach eigenen Angaben ungefähr 1.600 Mit-glieder. Die Ideologie der JA ist durch einen ethnisch-kulturell geprägten Volks-begriff bestimmt, der im Widerspruch zur Offenheit des Staatsvolkver-ständnisses des Grundgesetzes steht. Daneben finden sich islam- undmuslimfeindliche Einstellungen in der Jugendorganisation wieder, de-nen mit aggressiver Rhetorik Nachdruck verliehen wird. Anhaltspunktefür Bestrebungen, die sich gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprin-zip richten, kommen ebenfalls zum Ausdruck. Die JA selbst reagierte auf die Einstufung als Verdachtsfall, indem sie eineeigene „Arbeitsgruppe Verfassungsschutz“ einrichtete, deren Ergebnissesowie die daraus resultierenden Konsequenzen für die Jugendorganisati-on auf einer Pressekonferenz im Juni 2019 vorgestellt wurden. So wurdenunter anderem Stellen aus dem „Deutschlandplan“ gestrichen, die imGutachten des BfV als tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen angeführt worden waren. Außerdem habe man sichvon 25 bis 30 Mitgliedern getrennt, die diesen Reformprozess nicht hät-ten mittragen wollen.Es kann noch nicht beurteilt werden, ob die programmatischen Verände-rungen tatsächlich mit einer inhaltlichen Kurskorrektur der JA einherge-hen oder vor dem Hintergrund der Beobachtung durch den Verfassungs-schutz lediglich eine taktisch begründete Anpassung ohne weitere Sub-stanz darstellen. Für eine rein kosmetische Mäßigung sprechen zum Bei-spiel das zum Teil enge Verhältnis zum „Flügel“ und die fortbestehendenVerbindungen zur „Identitären Bewegung Deutschland“.

„Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“

Die Szene der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ setzt sich aus perso-nell, organisatorisch und ideologisch heterogenen Kleinst- und Klein-gruppierungen, länderübergreifend aktiven Personenzusammenschlüs-sen und virtuellen Netzwerken sowie Einzelpersonen zusammen. Ihr verbindendes Element ist die fundamentale Ablehnung der Legitimi-tät und Souveränität der Bundesrepublik Deutschland sowie deren be-stehender Rechtsordnung. Die gesamte Szene der „Reichsbürger“ und„Selbstverwalter“ ist durch ihre staatsfeindlichen Einstellungen und Ver-schwörungstheorien geprägt. Letztere befördern auch eine Anschlussfä-higkeit an antisemitische Erklärungsmuster. Daher finden sich bei„Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ immer wieder antisemitischeEinstellungen und Äußerungen.Die Unterscheidung zwischen „Reichsbürgern“ und „Selbstverwaltern“ist teilweise äußerst schwierig: „Reichsbürger“ berufen sich hinsichtlichdes Staatsgebiets und des Rechtsstandes auf ein wie auch immer gearte-tes „Deutsches Reich“ und lehnen deshalb die Bundesrepublik Deutsch-land ab. „Selbstverwalter“ fühlen sich dem Staat und seiner Rechtsord-nung nicht zugehörig. Sie erklären mitunter ihren „Austritt“ aus diesemund den Eintritt in eine „Selbstverwaltung“.Die ideologische Bandbreite der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“begünstigt ihr hohes Personenpotenzial. Deutschlandweit sind ihr imJahr 2019 etwa 19.000 Personen (2018: 19.000) zuzurechnen. Bei rund 950davon handelt es sich um Rechtsextremisten (2018: 950).Ein Großteil der Szene konzentriert sich auf Auseinandersetzungen mitBehörden und Ämtern, da staatliche Eingriffe generell als unrechtmäßigempfunden werden. Dies kann im Rahmen von „Vielschreiberei“, alsodem Versenden seitenlanger Ausführungen mit einer häufig pseudoju-ristischen Argumentation erfolgen, aber auch bis hin zu erheblichen Ag-gressionen reichen und Gefahrensituationen auslösen.Dieses reaktive Gewaltpotenzial zeigte sich deutlich im September desBerichtsjahres. Bei einer Exekutivmaßnahme gegen einen Szeneangehö-rigen in Ottendorf-Okrilla (Sachsen) reagierte dieser mit erheblichemWiderstand. Unmittelbar nachdem die Polizei das Grundstück betretenhatte, begab er sich in sein Fahrzeug und rammte das vor der Grunstückseinfahrt abgestellte Polizeifahrzeug. Bei der darauffolgenden Fest-nahme griff er die Polizeikräfte an, die Pfefferspray einsetzten und so denAngriff unterbinden konnten.„Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ weisen eine hohe Affinität zu Waf-fen auf, worin ein beachtliches Gefährdungspotential besteht. Insgesamtwurden seit Einrichtung des Bundesbeobachtungsobjekts im Jahr 2016mindestens 790 Szeneangehörigen ihre waffenrechtlichen Erlaubnisseentzogen. Zum 31. Dezember 2019 waren noch rund 530 „Reichsbürger“und „Selbstverwalter“ als Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse bekannt(2018: 910).Die anhaltende Waffenaffinität der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“wurde auch 2019 durch erhebliche Waffenfunde im Zuge von Exekutiv-maßnahmen belegt. So wurden z. B. am 14. und 15. März 2019 bei Durch-suchungsmaßnahmen in Kordel (Rheinland-Pfalz) mehrere HundertWaffen, Waffenteile, Munition und Sprengkörper sichergestellt. Gegendie beiden Betroffenen waren bereits Ende 2018 umfassende Waffenbe-sitzverbote ausgesprochen worden. Das krude Weltbild vieler „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“, das vonverschiedenen Verschwörungstheorien, einer Ablehnung des Staatesund mitunter auch antisemitischen, rassistischen, gebiets- und ge-schichtsrevisionistischen Einstellungen geprägt ist, führt dazu, dass Exe-kutivmaßnahmen gegen Szeneangehörige nur bedingt Wirkung zeigen.Es lässt sich teilweise eine vorübergehende Zurückhaltung der Betroffe-nen feststellen, eine dauerhafte Lossagung von der Szene findet aber zu-meist nicht statt.Die anhaltend hohe verbale Aggression sowie das immanente Gefähr-dungspotenzial erfordern deshalb auch zukünftig eine intensive Beob-achtung durch den Verfassungsschutz

Linksextremismus

Das linksextremistische Personenpotenzial ist im Jahr 2019 nach Abzugvon Mehrfachmitgliedschaften um rund 4,7 % auf insgesamt 33.500 Per-sonen gestiegen (2018: 32.000).Die Zahl der gewaltorientierten Linksextremisten stieg um rund 2,2 %auf 9.200 Personen (2018: 9.000). Mehr als jeder vierte Linksextremist istsomit als gewaltorientiert einzuschätzen. Die Zahl linksextremistisch motivierter Straftatenhat im Jahr 2019 er-heblich zugenommen. Wurden im Vorjahr 4.622 Delikte erfasst, stieg dieZahl im Berichtsjahr um knapp 40 % auf 6.449. Eine deutliche Zunahmeum 58,6% auf 3.520 Delikte zeigte sich insbesondere bei Sachbeschädi-gungen (2018: 2.219). Auch die Zahl der Brandstiftungen erhöhte sich um51,9 % auf 164 (2018: 108). Zwar sank die Zahl der Gewaltdelikteumknapp 10 % auf 921 (2018: 1.010), so kam es jedoch in zwei Fällen zu ver-suchten Tötungsdelikten (2018: keine). Die Zahl der Körperverletzungs-delikte blieb mit 355 (2018: 363) in etwa konstant. Zahlreiche verletztePersonen und ein geschätzter Sachschaden in dreistelliger Millionenhöhe   sind   die   Folgen   linksextremistischer   Straf-   und   Gewalttaten   inDeutschland 2019.Schon die zahlenmäßigen Indikatoren des Linksextremismus belegenein anhaltend hohes Gefahrenniveausowohl im Bereich der Straf- undGewalttaten als auch des Personenpotenzials. Neben den quantitativenVeränderungen im Gewaltniveau lässt sich auch ein Wandel in Art undIntensität   der   Gewalt   feststellen.   Während   Ausschreitungen   und„Schwarze Blöcke“ bei Demonstrationen an Bedeutung verlieren, ist ab-seits solcher Veranstaltungen ein planvolles Vorgehen gegen Menschenund Sachwerte zu beobachten. Gut organisierte Kleingruppen begehenunter   dem   Kampfbegriff   des   „Antifaschismus“   direkte   Angriffe   mitschwersten   Verletzungen   auf   politische   oder   vermeintlich   politischeGegner, um „nazifreie Zonen“ zu schaffen. Auch „Antigentrifizierung“oder „Antirepression“ dienen als Rechtfertigungsgründe für direkte, kör-perliche Angriffe auf Polizeikräfte, Politikerinnen und Politiker oder An-gehörige von Wirtschaftsunternehmen. Darüber hinaus sorgen klandes-tin durchgeführte Brandanschläge auf Ziele wie Fahrzeuge, Baumaschi-nen und Gebäude für teilweise enorme Schadenssummen.Nochmals verschärft hat sich die schon in den letzten Jahren festzustel-lende fortschreitende Entwicklung hin zu einer Erosion des Szenekon-senses der Ablehnung von gezielter Gewalt gegen Personen. Vor allemAutonome begingen im Berichtsjahr eine Vielzahl schwerer Gewalttaten.In der direkten Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner, aberauch mit der Polizei, war bei autonomen Gewalttätern nur eine geringeHemmschwelle festzustellen. Schwere Gesundheitsschädigungen und inEinzelfällen auch der mögliche Tod von Menschen wurden billigend inKauf   genommen.   Insbesondere   im   Kampf   für „autonome   Freiräume“wurde gezielt Gewalt gegen Personen eingesetzt. Mit dem Angriff auf ei-ne Mitarbeiterin eines Immobilienunternehmens in Leipzig (Sachsen),die von Linksextremisten in ihrer Wohnung überfallen und mit Faust-schlägen ins Gesicht attackiert worden war, wurde eine neue Eskalati-onsstufe erreicht.Innerhalb des gewaltorientierten Spektrums hat sich gezeigt, dass sichdie Fokussierung auf das Aktionsfeld „Antirepression“ bundesweit zumstärksten Mobilisierungsfaktor entwickelt hat. Staatliche Exekutivmaß-nahmen dienten auch 2019 als Anknüpfungspunkt für bundesweite militante Aktionen, die in Selbstbezichtigungsschreiben regelmäßig als Re-aktion auf angebliche Polizeigewalt oder als Solidaritätsbekundung fürinhaftierte Szeneangehörige bezeichnet wurden. Im Unterschied zu denübrigen Aktionsfeldern ist das Thema „Antirepression“ kaum geeignet,zivilgesellschaftliche Akteure in großer Zahl zu mobilisieren und lang-fristig zu binden. Nach wie vor spielt die Instrumentalisierung demokratischer Diskurseim Linksextremismus eine große Rolle. Mit dem Aufgreifen wichtiger ta-gespolitischer Themen wird versucht, gezielt Einfluss auf gesellschaftli-che Diskussionen zu nehmen. So sollen die eigenen Positionen, wie dieDelegitimierung des Staates und seiner Institutionen, in die Debatteneinfließen. Beispiele sind die Einflussnahmeversuche auf die Klimapro-testbewegung oder auf die Proteste gegen Mietpreiserhöhungen.Für postautonome und dogmatische Linksextremisten standen bei derBeteiligung an Aktionen der Klimaprotestbewegung vor allem der Ver-such der Radikalisierung, der persönliche Kontakt zu nicht extremisti-schen Teilnehmern und die Anwerbung neuer Mitglieder im Vorder-grund. Daneben gelten Proteste gegen Mietpreiserhöhungen und soge-nannte Luxussanierungen in Ballungsräumen unter Linksextremistenals gesellschaftlich besonders anschlussfähig. Für das autonome Spek-trum können auch kurzfristige Entwicklungen ausschlaggebend dafürsein, ob sich militante Aktionen auf eine entsprechende Thematik fo-kussieren. Im Jahr 2019 mussten vermeintlich „antisoziale Stadtstruktu-ren“ und das Themenfeld „Antigentrifizierung“ regelmäßig als Begrün-dung für Straf- und Gewalttaten herhalten. Diese reichten von Sachbe-schädigungen über Brandstiftungen bis hin zu gezielten Angriffen aufPersonen. Gerade im Begründungszusammenhang „Antigentrifizie-rung“ zeigte sich 2019 die fortschreitende Radikalisierung der linksex-tremistischen Szene.Im Themenfeld „Antifaschismus“ stand neben Mitgliedern rechtsextre-mistischer Parteien oder Gruppierungen pauschal die von Linksextre-misten als rechtsextremistisch bezeichnete AfD im Fokus linksextremis-tischer Aktionen. Immer wieder kam es zu teils erheblichen Straftatenzum Nachteil von Mitgliedern oder Einrichtungen der AfD. Dazu zähltenSachbeschädigungen an Veranstaltungsräumen und Parteibüros oderBrandanschläge auf Pkw. Zudem kam es wiederholt zu Körperverlezungsdelikten zum Nachteil von Personen, die von Linksextremistendem Rechtsextremismus zugeordnet werden.Autonomebilden mit die mit Abstand größte Gruppe im gewaltorien-tierten Linksextremismus. Aus Ablehnung jeder Form von Fremdbestim-mung resultiert auch eine Abneigung gegenüber festen Organisations-strukturen. Die meisten Autonomen bevorzugen unverbindliche Struk-turen und bilden auf persönlichen Beziehungen beruhende Kleingrup-pen („Bezugsgruppen“). Diese Kleingruppen stehen ihrerseits in losenVerbindungen zu anderen Kleingruppen und kooperieren anlassbezogenmiteinander. Anlassbezogen kooperieren Autonome auch mit nicht ex-tremistischen Akteuren und Aktionsbündnissen, deren Forderungen ge-zielt um extremistische Inhalte erweitert und um eine militante Kompo-nente ergänzt werden sollen.Postautonomeentwickeln diese strategischen Überlegungen weiter undrücken die Vernetzung mit nicht extremistischen Gruppen und Akteurenins Zentrum ihres politischen Handelns. Vertreter dieser postautonomenAusrichtung sind die „Interventionistische Linke“ (IL)und das kommu-nistische Bündnis „...ums Ganze!“ (uG).Autonome Szenen bilden sich primär in Groß- und/oder Universitäts-städten. Die größten Szenen befinden sich in Berlin, Hamburg und Leip-zig. Sie verfügen nicht nur über ein überdurchschnittlich hohes Aktions-niveau und Mobilisierungspotenzial, sondern begehen auch eine Viel-zahl an Straf- und Gewalttaten.Vertreter des Anarchismuslehnen die Herrschaft von Menschen überandere Menschen ab. Das beinhaltet jede Form staatlicher Hoheitsge-walt, auch die innerhalb freiheitlicher Demokratien. Kennzeichnend fürdie anarchistische Szene ist ihr hoher Grad an Vernetzung, welche als un-erlässlich für die revolutionäre Herbeiführung der anarchistischen Ge-sellschaft angesehen wird.Dogmatische Linksextremistenführen ihre Ideologie im Wesentlichenauf die Theorien kommunistischer Vordenker wie Karl Marx, FriedrichEngels oder Wladimir Iljitsch Lenin zurück. Verbindendes Element ist dasgemeinsame Ziel einer sozialistischen Gesellschaftsordnung, aus derlangfristig eine „klassenlose“ kommunistische Gesellschaft errichtet wer-den soll. Dabei schließen die derzeit etwa 900 gewaltorientierten dogmatischen Linksextremisten – die insbesondere der trotzkistischen „GruppeArbeiterInnenmacht“ (GAM), deren Jugendorganistation „REVOLUTI-ON“ (REVO)und der „Sozialistische[n] Deutsche[n] Arbeiterjugend“(SDAJ)zugerechnet werden – den Einsatz von Gewalt explizit nicht aus. Die weit überwiegende Mehrheit der dogmatischen Linksextremisten istals nicht gewaltorientiert einzustufen. Die orthodox-kommunistische„Deutsche Kommunistische Partei“ (DKP)mit etwa 2.850 Mitgliedernhält unverändert an ihrem Ziel des Sozialismus und Kommunismus fest.Die „Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands“ (MLPD)ist strengmaoistisch-stalinistisch ausgerichtet. Als Ziel strebt sie die Errichtung ei-ner Gesellschaft des „echten Sozialismus“ als Vorstufe einer „klassenlo-sen“, kommunistischen Gesellschaft an. Vor allem deren Jugendverband„REBELL“nutzte die Klimaproteste auch als Möglichkeit, mit Jugendli-chen ins Gespräch zu kommen und sie anzuwerben. Mitgliederwerbungführte „REBELL“ auch vor Schulen durch. Die trotzkistisch geprägte „So-zialistische Gleichheitspartei“ (SGP)verfolgt die trotzkistische Theorieeiner sozialistischen Revolution als weltweitem permanentem Prozessunter Führung von Arbeiterräten.Die „Rote Hilfe e.V.“ (RH)ist mit rund 10.500 Mitgliedern und bundesweitetwa 50 Ortsgruppen eine der größten und wichtigsten Gruppierungenim deutschen Linksextremismus. Innerhalb der letzten drei Jahre hat dieRH einen starken Mitgliederzuwachs erfahren. Ihr primäres Betäti-gungsfeld ist die Unterstützung von linksextremistischen Straftätern so-wohl im Strafverfahren als auch während der Haftzeit. Sie bietet politi-schen und sozialen Rückhalt und leistet juristische sowie finanzielle Un-terstützung. Ihre Agitation zielt darauf ab, das strafrechtliche Abschre-ckungspotenzial zu mindern und die Legitimität des demokratischenVerfassungsstaates infrage zu stellen. Aufgrund ihrer ideologischen undstrategischen Ausrichtung sorgt sie für eine bundesweite Vernetzung, si-chert innerhalb der Szene den übergreifenden Zusammenhalt der unter-schiedlichen Strömungen und bietet einen Legitimationsrahmen für dieBegehung von Straf- und Gewalttaten. Die RH hat dabei regelmäßig ver-sucht, im Nachgang zu staatlichen Maßnahmen durch verstärkte Öffent-lichkeitsarbeit Einfluss auf die Meinungsbildung zu nehmen und denvermeintlich „repressiven Charakter“ des demokratischen Rechtsstaates herauszustellen. Linksextremisten zielen mit ihrem Handeln auch auf eine möglichstgroße öffentliche Aufmerksamkeit. Nach dem Verbot von„linksunten.indymedia“ im August 2017 hat sich die Internetplattform„de.indymedia“ zum wichtigsten Informations- und Propagandamedi-um für die linksextremistische Szene im deutschsprachigen Raum ent-wickelt. So erscheinen regelmäßig Selbstbezichtigungsschreiben zu teilsschweren Straf- und Gewalttaten. Gleichzeitig wird dazu aufgerufen,weitere Taten zu begehen. Auch finden über „de.indymedia“ immer wie-der sogenannte Outing-Aktionen statt, wobei Bilder und personenbezo-gene Daten „unliebsamer Personen“ veröffentlicht werden. Diese sindoftmals verbunden mit mehr oder minder offenen Aufrufen zur Bege-hung von Straftaten. Die Beiträge auf „de.indymedia“, die von den „Mo-derationskollektiven“ nicht unmittelbar entfernt werden, lassen in derinhaltlichen Gesamtschau eindeutig eine verfassungsfeindliche Linieerkennen. Vor diesem Hintergrund liegen hinreichend gewichtige tat-sächliche Anhaltspunkte für eine linksextremistische Bestrebung vor,die eine Bearbeitung von „de.indymedia“ im Rahmen eines Verdachts-falls durch das BfV begründen.

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